Menü Schließen

Ludwig Feuerbach

Vom Höhepunkt des deutschen Idealismus, also von Hegel führt jetzt unser Weg zum anthropologischen Materialismus Ludwig Feuerbachs.

Beiden Philosophen ist trotz ihrer Gegensätzlichkeit eigen, dass ihre Gotteslehre das zentrale Element ihrer Gedankenwelt ist.

Feuerbach stellt den Menschen in seiner natürlichen, d.h. materiellen Wirklichkeit in den Mittelpunkt seiner Überlegungen.  Auch Hegel hatte dem Menschen eine gewaltige Bedeutung in seiner Gotteslehre eingeräumt. Auf dieser Ebene begegnen sich beide Philosophen und Feuerbach kommt dabei quasi als Antithese zu Hegel zum Ergebnis, dass es den hegelschen Gott nicht gibt.

 Vergegenwärtigen wir uns noch einmal, dass Hegel seinen Gott sich im menschlichen Bewusstsein zu seinem göttlichen Bewusstsein kommen lässt, dass Gott also ohne den Menschen überhaupt nicht bewusst existieren würde.

  Der Mensch als Voraussetzung Gottes ist, wie gesagt, auch das Hauptthema Feuerbachs, allerdings mit der ganz anderen Konsequenz, dass der Mensch Gott als Phantasieprodukt erfindet. Dass diese seine steile philosophische Aussage hohe Wellen schlagen und ihm auch nachhaltig schaden würde, war Feuerbach bewusst.

„Die albernen und perfiden Urteile, welche über diese Schrift seit ihrer Erscheinung in der ersten Auflage gefällt wurden, haben mich keineswegs befremdet, denn ich erwartete keine anderen und konnte auch  rechtlicher- und vernünftigerweise keine anderen erwarten. Ich habe es mit dieser Schrift mit Gott und der Welt verdorben. ……………

Ich habe mir ferner durch äußerst unpolitische, leider! aber intellektuell und sittlich notwendige Aufklärung, die ich über das dunkle Wesen der Religion gegeben, selbst die Ungnade der Politiker zugezogen….

Ich habe endlich, , und zwar schon durch die rücksichtslose Sprache, mit welchem ich jedes Ding bei seinem wahren Namen nenne, einen entsetzlichen, unverzeihlichen Verstoß  gegen die Etikette der Zeit gemach“ (  Feuerbachs  Vorwort zu zweiten Auflage seines Werkes „Das Wesen des Christentums – nachstehend zitiert als „ Wesen“- im Anakonda Verlag 2014   hier S. 18-209).  

 

Ebenfalls in diesem Vorwort (S.25) macht Feuerbach deutlich, nach welchen Prinzipien er denkt und philosophiert:

Ich bin himmelweit unterschieden von den Philosophen, welche sich die Augen aus dem Kopfe reißen, um desto besser denken zu können; ich brauche zum Denken die Sinne, vor allem die Augen, gründe meine Gedanken auf Materialien, die wir uns stets nur vermittelst der Sinnentätigkeit aneignen können, erzeuge nicht den Gegenstand aus dem Gedanken, sondern umgekehrt den Gedanken aus dem Gegenstande, aber Gegenstand ist nur, was außer dem Kopf existiert“.

Feuerbach nimmt also Abstand vom reinen Rationalismus und vom deutschen Idealismus. Wenn er die materielle Welt betrachtet, um seine Gedanken denken zu können, mit dem Ziel zu erkennen, was die Welt zusammenhält, so kann er Gott nicht entdecken. Abgesehen von den Erzählungen verschiedener Religionen ist Gott noch niemals personal-materiell in dieser Welt aufgetreten.  Da Feuerbach aber feststellen muss, dass die Gottesvorstellung in der menschlichen Gedanken- und Gefühlswelt sowie in ihren Religionen eine überragende Rolle spielt, will er den Ursprung dieser religiösen Anschauungen erkunden. Was liegt dabei näher, als den Menschen selbst zur Ursache, zum Erfinder dieser Gottesidee zu bestimmen.

Das ist der Kern der feuerbachschen Philosophie und ich will deshalb hier kurzen Prozess machen. Ich werde aber nachstehend eine Reihe von Zitaten aus seinem oben angesprochenen Hauptwerk präsentieren, die zwar alle die Grundvorstellung des Philosophen zum Gegenstand haben, das Thema aber aus verschiedenen und interessanten Überlegungen befeuern.

Davon abgesehen hat Feuerbach für die Geistesgeschichte und vor allem für die Menschheitsgeschichte eine überragende Bedeutung, weil er den Materialismus einleitet und die Philosophie von Karl Marx, die die Welt verändert hat, intensiv inspiriert hat.

 

Das göttliche Wesen ist nichts anderes als das menschliche Wesen oder besser: das Wesen des Menschen, abgesondert von den Schranken des individuellen, d.h. wirklichen, leiblichen Menschen, vergegenständlicht d.h. angeschaut und verehrt als ein anderes, von ihm unterschiedliches eigenes Wesen – alle Bestimmungen des göttlichen Wesens sind darum Bestimmungen des menschlichen Wesens“ (Wesen S.67).

„Gott ist das ab-und ausgesonderte subjektivste, eigenste Wesen des Menschen………Je subjektiver, je menschlicher Gott ist, desto mehr entäußert der Mensch sich seiner Subjektivität, seiner Menschheit, weil Gott an und für sich sein entäußertes Selbst ist, welches er aber doch zugleich sich wieder aneignet. ……… Gott ist das in mir, mit mir, durch mich, auf mich, für mich handelnde Wesen, das Prinzip meines Heils, meiner guten Gesinnungen und Handlungen, folglich mein eigenes Prinzip und Wesen“ (Wesen S. 93).

Feuerbach schreibt klar und verständlich, sodass man ihn nicht besonders kommentieren muss. Er beweist seine Thesen nicht, sondern konstatiert sie in verschiedenen Versionen. Nachstehend zitiere ich einen rundenden Text und beschäftige mich abschließend mit dem schon zu Beginn angesprochen Berührungspunkt seiner Gotteslehre mit der von Hegel.

„Wir haben bewiesen, dass der Inhalt und der Gegenstand der Religionen ein durchaus menschlicher ist, bewiesen, dass das Geheimnis der Theologie die Anthropologie, des göttlichen Wesens das menschliche Wesen ist.

Aber die Religion hat nicht hat nicht das Bewusstsein von der Menschlichkeit ihres Inhaltes; sie setzt sich vielmehr dem Menschlichen entgegen, oder wenigstens sie gesteht nicht ein, dass ihr Inhalt menschlicher ist.

Der notwendige Wendepunkt der Geschichte ist daher dieses offene Bekenntnis und Eingeständnis, dass das Bewusstsein Gottes nichts  anderes ist als das Bewusstsein der Gattung, dass der Mensch sich nur über die Schranken seiner Individualität oder Persönlichkeit erheben kann und soll, aber nicht über die Gesetze, die Wesensbestimmungen seiner Gattung, dass der Mensch kein anderes Wesen als absolutes, als göttliches Wesen denken, ahnden, vorstellen, fühlen, glauben, wollen, lieben und verehren kann als das menschliche Wesen“ (Wesen S. 465).

Wenn Feuerbach hier von „Gattung“ spricht, meint der die menschliche Gattung, sodass sein Kernsatz lautet, dass das Bewusstsein Gottes nichts anderes ist als das Bewusstsein des Menschen.

Diese seine Erkenntnisse bezeichnet Feuerbach als einen Wendepunkt der Geschichte. Obwohl es eigentlich eine Binsenwahrheit ist, dass der Gottesgedanke ein Erzeugnis des menschlichen Geistes ist und auch die sogenannten Offenbarungen ausschließlich von einer  menschlichen Quelle stammen, muss man Feuerbachs Bewertung seiner Erkenntnisse als geschichtlicher Wendepunkt zustimmen, weil in der bisherigen Menschheitsgeschichte solche freien und offensichtlichen Gedanken von den Weltreligionen und den von ihnen getragenen Gesesellschaftsordnungen nicht zugelassen wurden.

Als ich im vorigen Jahrhundert im Alter von 16 Jahren mit meinem Schulkameraden und Lebensfreund, Dieter Schütz, über die Gottesfrage diskutierte, überraschte er mich mit den Thesen Feuerbachs, die ihm kurz vorher von seinem evangelischen Seelsorger vermittelt worden waren. Wir waren schockiert und in unserem Glauben zutiefst verunsichert

Ich habe mich später von dieser Irritation erholt, weil ich erkannt habe, dass Feuerbach insoweit Recht hat, als unsere Gottesvorstellungen tatsächlich menschliche Gedankenprodukte sind, dass der Philosoph aber damit in keinem Fall die Nichtexistenz Gottes bewiesen hat. Unabhängig von aller menschlicher Gottesfantasie kann Gott als Glaubensgegenstand daneben weiterbestehen. 

 

Zum Schluss meiner Betrachtung berichte ich mit zwei Zitaten aus Feuerbachs „Wesen des Christentums“ über seine Beziehungen zur spekulativen hegelschen Gotteslehre.

  1. „Die Persönlichkeit Gottes ist selbst nichts anderes als die entäußerte vergegenständlichte Persönlichkeit des Menschen. Auf diesem Prozess der Selbstentäußerung beruht auch die hegelsche spekulative Lehre, welche das Bewusstsein des Menschen von Gott zum Selbstbewusstsein Gottes macht“ (Wesen S.399).
  2. „Wenn nun aber, wie es in der hegelschen Lehre heißt, das Bewusstsein des Menschen von Gott das Selbstbewusstsein Gottes ist, so ist es ja per se das menschliche Bewusstsein göttliches Bewusstsein. Warum entfremdest du also (gemeint ist Hegel) dem Menschen sein Bewusstsein und machst es zum Selbstbewusstsein eines von ihm unterschiedenen Wesens, eines Objekts. Warum eignest Gott das Wesen, dem Menschen nur das Bewusstsein zu? Gott hat sein Bewusstsein im Menschen und der Mensch sein Wesen in Gott? Das Wissen des Menschen von Gott ist das Wissen Gottes von sich? Welch ein Zwiespalt und Widerspruch! Kehre es um, so hast du die Wahrheit.: das Wissen des Menschen von Gott ist das Wissen des Menschen von sich, von seinem eigenen Wesen. Wo das Bewusstsein Gottes, da ist auch das Wesen Gottes, also im Menschen; im Wesen Gottes wird dir nur dein eigenes Wesen Gegenstand“ (Wesen S.405/406).

 

Feuerbach spricht seinen großen Lehrer Hegel direkt an und verkehrt dessen Lehre in ihr Gegenteil, verlässt den Idealismus und leitet den Materialismus ein.  Die Denklinie geht nach Feuerbach nicht mehr von einem abstrakten Gott zum Menschen, sondern der Mensch schafft sich sein Ebenbild in einer Gottesvorstellung.